aus der Heimat

 

Eine Erinnerung an die Heimat ist nicht vollständig, wenn sie nicht einige Worte zur Landwirtschaft enthält.

Sie war – ob auf den überwiegenden großen Gütern oder den unterschiedlich großen Bauernstellen – für dieses weite Land und seine Menschen neben der Waldwirtschaft, Imkerei und Fischerei prägend. Diese Landwirtschaft hat aber nicht nur die hier lebenden Menschen ernährt!

Westpreußens Grenzmark und Hinterpommern waren die Kornkammer Deutschlands und lieferten einen Großteil der die Ernährung sichernden Kartoffeln.

 

Ein Blick zurück auf  die Landwirtschaft unseres Heimatkreises Deutsch Krone.

 

An der Nahtstelle zwischen Pommern und Westpreußen als westlichster Kreis dieser unter Friedrich dem Großen aufblühenden preußischen Provinz gelegen, vermittelte und empfing er viele, sowohl volks- wie landwirtschaftliche Eindrücke und Entwicklungen von den Zugewanderten. Ursprünglich ist die Umwandlung der einstigen, großenteils als Wildnis zu bezeichnenden Landschaft des späteren Kreises den askanischen Brandenburgern zu danken. Mit ihnen und den deutschen Kolonisten kamen eine Reihe für die damalige Zeit neuer Ackergeräte – vor allem der eiserne Pflug – so daß die Rodung, Urbarmachung und stellenweise Trockenlegung eine bessere Nutzung erst möglich machten. Die neuen Siedler brachten andere Feldfrüchte und Kulturen mit. Rasch entstanden neben den slawischen Siedlungen deutsche, teils als Neugründungen, teils auf verlassenen slawischen Siedlungsresten.                                                                                         

 

Der Deutsch Kroner Boden ist allgemein lehmiger Sand, deshalb durchlässig und rasch erwärmt; er braucht mehr Feuchtigkeit als er im Durchschnitt erhält und schränkt so die Kultur anspruchsvoller Getreide- und Futterarten  ein.

Aber die Kartoffel!

Glaubt man der Geschichte – und die beiden herausragenden Preußen, die Könige Friedrich Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich der Große haben sie für Pommern und Westpreußen unauslöschlich geschrieben – dann hat in den Hungerzeiten des Siebenjährigen Krieges diese aus unserer Heimat nicht mehr wegzudenkende Frucht vielen Menschen in Preußen das Leben gerettet. Wie es dazu kam, ist spannend, gehört aber an eine andere Stelle. So kam diese neue Frucht zu jener Zeit, als mit Albrecht Thaer und Thünen der Umschwung in der Deutschen Landwirtschaft auch im großen Kreis Deutsch Krone begann und für dieses Gebiet erhebliche wirtschaftliche Bedeutung gewann. Die großenteils mageren Böden boten dem Kartoffelanbau günstige Bedingungen. Hier erkrankte diese aus den Anden stammende Feldfrucht kaum, und so kam es, daß Kartoffeln aus der Grenzmark und Pommern bald in ganz Deutschland die Ernährung sichern halfen. Die Gutsbesitzer entdeckten zudem sehr schnell, daß man aus der Kartoffel Sprit – Alkohol – herstellen konnte. Da wuchsen in fast jedem Guts-Dorf die Brennereien, die „Veredelung“ der Kartoffel begann. Das Brennrecht der Güter lag zwischen 100 000 bis 200 000 Litern Reinalkohol, der je nach technischer Ausstattung einer Brennerei, zwischen 94 und 98 % lag. Das hatte zugleich den Nebeneffekt, daß Schlempe, ein Abfallprodukt der Spritproduktion, für die Fütterung der Kühe und Mastrinder zur Verfügung stand. So lagen im Herbst, nach dem wochenlangen Geruch der Kartoffelfeuer, und Winter über der Landschaft die unverkennbaren Geruchsfahnen der Schlempe.

Saatzuchtbetriebe schufen neue Sorten, wobei besonders der Stärkegehalt eine Rolle spielte. Die Kartoffelzucht unserer Heimat war so gesund, daß beispielsweise noch 2004 auf dem Markt in Walcz / Deutsch Krone die beliebte mehligkochende, sehr stärkereiche „Ackersegen“ angeboten wurde-, eine Kartoffelsorte, die ich schon 1943 in Harmelsdorf kennengelernt hatte, die später im übrigen Deutschland aber längst abgebaut war.

Damals erfolgte die Ernte der Kartoffeln noch hauptsächlich mit der Hacke, nur hier und da waren schon einfache Roder eingesetzt.

Weiß denn noch jemand, warum man zumeist von Korn sprach, wenn Roggen gemeint war?

Während Weizen – nur auf besseren Böden im Anbau -, Hafer – hauptsächlich für die Vielzahl an Pferden, Gerste und nur hin und wieder Raps oder Lein, mancherorts auch Hanf für industrielle Zwecke angebaut und auch so benannt wurden, beherrschte das „Korn“ schlechthin, der Roggen, die weiten Getreidefelder. Er war das Brotgetreide unserer Heimat. Zugleich wurde dieser Roggen wegen seiner Beständigkeit im Ertrag eine Art Zahlungsmittel, so daß nach der jährlichen Notierung des Zentners Roggen in Berlin und Stettin Pachten bezahlt, Renten vergütet wurden.

 

 
 

Roggen war im Ertrag  - auch angesichts der mehr als dreifachen Flächengröße  und wegen seiner Beständigkeit im Ertrag gegenüber Weizen - eine zumeist sichere Bank. Daneben gewannen die Futterkulturen, die bald immer mehr Bedeutung bekamen und vor allem infolge der Beseitigung der Dreifelderwirtschaft die aufblühenden Viehherden sommers wie winters versorgten, erheblich an Wert. Luzerne, Seradella, Perserklee, Inkarnatklee, Timothee, aber dann auch das bekannte, vielfach angebaute Landsberger Gemenge dienten ebenso wie das Rübenblatt der Zuckerrüben zur Fütterung der Rinder. Daneben baute man Steckrüben – die Wruken und Kohlrüben –  und Runkeln an. Auf besonders mageren Böden wuchs als Futter die Bitterlupine und für die menschliche Ernährung der Buchweizen. So ist mancher von uns von klein auf mit Buchweizengrütze gesund aufgewachsen.

Die meisten Ackerarbeiten wurden – ehe die ersten Traktoren und der Dampfpflug kamen - mit Pferden und Ochsen bewältigt. Neben Warm- und Kaltblut waren es besonders die aus einer Kreuzung von Trakehnern mit Kaltblut stammenden, nicht sehr großen aber unglaublich robusten Pferde auf den Gütern und bei den Bauern, die für fast alle Acker- und Transportarbeiten - zumeist drei Pferde breit  - vor den großen Gutsleiterwagen oder den schweren Kartoffelwagen eingespannt wurden. Nur wenn „alle Stränge rissen“, d. h. wenn nichts mehr vorwärtsging, wie z.B. im Herbst bei der Rüben- und Kartoffelernte, spannte man zwei Ochsen an.

Bei den Milchkühen herrschte das Schwarzbunte Niederungsrind vor; hier und da waren auch ein paar Rotbunte zu sehen. Die Rindermast erfolgte großenteils als zweijährige Ochsenmast, so daß bei der Schlachtung ein nicht zu trockenes, schön marmoriertes Rindfleisch zu erwarten war.

Die Schweinemast war auf Schweine ausgerichtet, die noch eine ordentliche Speckschicht aufwiesen; anders, als das heute erwünscht ist. Doch brauchte die Mast längere Zeit als heute.

Auf vielen Gütern wurden Schafe gehalten. Sie dienten sowohl der Wollerzeugung als auch der Ackerpflege im Frühjahr, sagte man doch dem Schaf einen silbernen Biß und einen goldenen Tritt nach. Sie halfen folglich bei der Bestockung der Getreideflächen wie bei der schonenden Verfestigung der Bodenoberfläche zugunsten besserer Bewurzelung. Die Nähe zu Polen bedrohte die Viehhaltung immer erneut durch Seuchen, vor allem über Viehtransporte, so daß die strenge und umfassende Tierseuchenverordnung Friedrichs des Großen, lange Zeit nachwirkend, oft den einzigen sicheren Schutz bot.

Daß die Teiche unserer Dörfer und dorfnahen Seen ab dem Frühsommer weiß von den vielen Gänsen und Enten der Dorfbewohner leuchteten, ehe es zu Martini und später ans Enten- und Gänseschlachten nebst verbotenem vorherigem Nudeln der Gänse ging, darauf werden sich wohl viele Landsleute noch gut entsinnen. Da erinnern wir uns gern der Gänsebrust, die nicht Spickbrust hieß, weil etwa das Fleisch gespickt wurde, sondern weil sie im Gegensatz zu heute noch einen ordentlich Fettmantel trug. Fett ist ja wichtig für den Geschmack.

Doch auch Hühner- und Putenzucht waren verbreitet.

Eine nicht unwesentliche Rolle spielte in vielen Dörfern die Bienenzucht. Lehrer, Pastoren, Beamte, Bahnangestellte, Kaufleute aber auch mancher Bauer und Nebenerwerbslandwirt hielten Bienen. Sie wurden teils noch in Körben, seltener in Klotzbeuten, schon häufiger in Bienenhäusern, den „Schauern“ gehalten. Zwischen 5 bis 40 Völker waren die Regel. Natürlich hatten die Völker noch nicht das Leistungsvermögen unserer heutigen Bienenrassen, doch wissen Fachleute davon zu berichten, daß der Ertrag der Bienen aus Pommern – und da besonders das hochwillkommene Bienenwachs für die großen Kirchen im Westen Deutschlands – den immerhin beträchtlichen Holzertrag unserer Heimat im Wert überflügelt hatte. Allein in unserem Dorf Harmelsdorf existierten auf fünf Gehöften und bei der Schule Bienen in etwa 100 Völkern; und so sah es fast überall im Kreis Deutsch Krone aus. Zugleich waren diese Bienen für die Bestäubung bestimmter Ackerkulturen wie der Kleearten, aber auch für Raps, Buchweizen und Lupinen  und vor allem für die in den Gärten stehenden Obstbäume unverzichtbar.

Unser Landkreis war nicht - wie z.B. Pyritzer Weizacker - durch sehr guten Boden ausgezeichnet. Aber der Fleiß und die Sachkenntnis seiner Menschen, die Jahrhunderte geübte, immer wieder verbesserte Ackerkultur und Viehzucht, die beharrliche Suche nach besseren Kulturformen und Erträgen, das nicht „im eigenen Saft schmoren“, sondern die Lernwilligkeit  und Standhaftigkeit in der Auseinandersetzung mit jenen Kräften, die immer wieder versuchten, das über die Jahrhunderte angestrengt Aufgebaute in Frage zu stellen, haben eine Landwirtschaft geschaffen, auf die wir voll Stolz zurückblicken können.

„Die Pommern“, hatte einst der Große Friedrich gesagt, „haben einen geraden und biederen Sinn“.

 

 
 

Der hat über alle die Jahrhunderte und über alle Drangsal geholfen, diesen Grenzkreis zum neidischen Nachbarn im Osten hin auf einen Stand zu bringen, dessen wir uns nie zu schämen brauchten.

Es war auch dieser Kreis Deutsch Krone, aus dem die stärker industrialisierten Provinzen Deutschlands mittels Getreide – und da vor allem „Korn“ und Kartoffeln, aber auch Schlachtvieh  zu großen Anteilen versorgt wurden. Daran sollte  - auch für die nach uns Kommenden - erinnert werden.

 

Mit Flucht und Vertreibung begann für viele Menschen vom Lande westlich von Oder und Elbe eine schwere Zeit. Wer in den westlichen Zonen Deutschlands Lastenausgleich bekam, konnte sich mitunter auf einer neuen, durch eine teilweise Bodenreform entstandenen Wirtschaft beweisen. Andere haben oft als Knechte der einheimischen Bauern gearbeitet, bis sie sich eine neue Existenz schaffen konnten. Die in der Sowjet-Zone gebliebenen nahmen nicht selten eine der Bodenreformwirtschaften an, die, zwischen 2 bis 13 ha, je nach Bodengüte, zur Verfügung gestellt wurden. Da losten die Frauen und Mütter für ihre noch in der Gefangenschaft darbenden Männer und Söhne eine Stelle, ehe die dann ausgemergelt zurückkamen und sich in die neue Arbeit stemmten. Diese Bodenreformstellen waren nicht umsonst zu haben. Der Boden wurde, je nach Güte, zweimal nacheinander umbewertet und mußte mit 190.- bis 280 MDN je ha bezahlt werden. Und diese oft von allem „befreiten“ Menschen zeigten mit unbändigem Willen unter schwersten Bedingungen, wozu sie imstande waren.

Pommerscher Fleiß wurde auch – trotz mancher Anfeindungen durch die Einheimischen – in Mecklenburg sprichwörtlich. Auf einer Bodenreformwirtschaft war mitunter kaum noch Vieh, im Ort nur wenige Pferde, noch weniger Ackergeräte vorhanden, sodaß nicht selten die Menschen mit Spaten umgruben oder sich die Eltern beim Kartoffelhäufeln vor den Pflug spannten, während die Kinder den Pflug führten.

Sie begannen, sich eine neue Existenz aufzubauen und kannten kaum noch einen Feierabend.

Doch der Fleiß sollte wenig nützen. Bald kamen die ersten LPGen und ab 1960 mit dem sogenannten „Sozialistischen Frühling“ die endgültige Zwangskollektivierung. Da waren die „Umsiedler“, wie sie nun offiziell genannt wurden, oftmals die letzten, die unter erheblichem Druck, Drohungen und mancher Gewalt den Weg in die Genossenschaften gingen. Hatten sie sich doch inzwischen mit ihren Kenntnissen und ihrer Arbeitskraft Wirtschaften aufgebaut, die sich sehen lassen konnten. Nicht wenige verließen nun die inzwischen zur DDR gewandelte „Ostzone“ gen Westen, während andere ihre Bodenreformurkunden zerrissen oder den neuen Herren vor die Füße warfen. Das sollte sie nach der Wiedervereinigung bitter zu stehen kommen, wenn sie angesichts des Bodenreformurteils vom 23. April 1991 keine Belege für ihr einstiges, von ihnen sogar bezahltes und durch ihre unermüdliche jahrzehntelange Tätigkeit eigentlich vermehrtes Eigentum vorweisen konnten.

 

Daß noch heute in Demmin jährlich viele dieser Braven zusammenkommen, hängt aber mit der Tatsache zusammen, daß der einstmals zweitgrößte preußische Landkreis Deutsch Krone 1945 überwiegend in diesen Kreis Demmin gelenkt wurde.

 

 

                                        Bestellpläne der Herrschaft Klein Nakel – Harmelsdorfsdorfsdorf

 

 

Hier waren mein Großvater Albert Köpp und nach ihm sein Sohn Theo als Gutsverwalter tätig.

 

Wir ehren unsere Vorfahren, indem wir an sie und ihr Tätigsein erinnern.