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Heimat, herbsüßes Wort, von
schmerzvoller Liebe getragen;
nie hörte ich
Schöneres sagen von einem anderen Ort!
„Wie vieles ist von dem geschwinden
Strom der Zeit weggespült, was damals noch fest und lebendig stand.
Wie vieles heißt man uns hassen, was wir damals noch liebten. Wie
vieles verachten, was wir damals ehrten. Wie vieles nichtig ansehen,
was uns damals herrlich deuchte.“ E.M. Arndt
Diese Seiten sollen helfen, die Erinnerung an den zweitgrößten
preußischen Landkreis, seine früheren Bewohner und deren Kultur,
ihren Fleiß und ihre unerschütterliche Heimatliebe fern aller
revanchistischen Parolen wachzuhalten. Getreu der Charta der
Vertriebenen, die schon im August 1950 verabschiedet wurde, wo es
heißt:“ Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung“,
aber auch eingedenk des unumstößlichen Grundsatzes, daß nur
Gerechtigkeit und Wahrheit auf Dauer Frieden schaffen, soll hier an
die Landschaft, die Städte und Dörfer, deren Geschichte und an die
Menschen erinnert werden, die dieses Land vor Jahrhunderten in
mühevoller Arbeit und nie erlahmendem Fleiß kultiviert und bis zu
Flucht und Vertreibung als ihre einmalig schöne, unvergessene Heimat
bewohnt hatten.
Zugleich wollen wir unseren Nachkommen, aber auch allen jenen, die
in der Vergangenheit kaum Kenntnis von dieser still-schönen, von
Hermann Löns so zauberhaft beschriebenen pommerschen und
westpreußischen Landschaft hatten, zeigen, wo unsere Wurzeln liegen
und dadurch helfen, das Andenken an eine der einstigen ostdeutschen
Provinzen und deren Kultur zu bewahren.
Professor Manfred Schatz „Die Vertreibung“
Mit ihren Gedichten und Liedern haben Menschen an
das Schicksal der Deutschen erinnert, die aus dem jahrhundertealten
Deutschen Osten vertrieben wurden, an Ostpreußen, Danzig,
Westpreußen, Hinterpommern, Schlesien und das Sudetenland.
Viele Menschen kennen noch immer die Lieder dieser
Landschaften, die über lange Zeit gesungen worden sind.
Ein paar Gedichte sollen helfen die Erinnerung zu
halten und zu tragen. |
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WIR SAGTEN
DAMALS NICHT „AUFWIEDERSEHN“ – WIE
DÜRFTE TREIBHOLZ JE AUF HEIMKEHR HOFFEN! –
WIR LIESSEN TÜR UND TOR SPERRANGELOFFEN
UND ALLE SCHRÄNKE UNVERSCHLOSSEN STEHN.
WIR BLICKTEN NICHT ZURÜCK DURCHS DÄMMERGRAUN.
FREMD LAG IM FROST DAS LAND, DURCH DAS WIR TRECKTEN.
VIELLEICHT, DASS SICH DIE BIRKEN HÖHER RECKTEN
AM GARTENGRABEN, UM UNS NACHZUSCHAUN.
VIELLEICHT BOT UNSER GIEBEL UNVERWANDT
DEM SCHNEESTURM TROTZ, - IHR WISST SCHON, WAS ICH MEINE –
BEI UNS ZUHAUSE REDEN AUCH DIE STEINE,
UND REDEN DEUTSCH. DENN STEINE HALTEN STAND.
DAS DAMALS STARB. WIR HABEN UNS GEFÜGT,
ERWARBEN WIEDER, WAS ALLHIER ERWERBLICH.
UND DOCH, GLAUBT MIR: GELIEBTES BLEIBT UNSTERBLICH,
WENN MAN SICH NICHT MIT SCHALEM TROST BEGNÜGT.
JAHRZEHNTE STERBEN. NÄCHTE NAHN UND GEHN.
BEI UNS ZUHAUSE REDEN AUCH DIE BÄUME –
ICH HÖR SIE DEUTLICH, - GLAUBT NICHT, DASS ICH
TRÄUME –
SIE SAGEN IMMERZU: „AUFWIEDERSEHN“.
Gertrud
von den Brincken
Eines der schönsten und zugleich schmerzvollsten
Gedichte stammt von der ostpreußischen Dichterin Agnes Miegel.
„Es war ein Land, - wo bliebst Du, Zeit? –
da wogte der Roggen wie See so weit,
da klang aus den Erlen der Sprosser Singen,
wenn Herde und Fohlen zur Tränke gingen.
Hof auf, Hof ab, wie ein Herz so sacht,
klang das Klopfen der Sensen in heller Nacht,
und Heukahn an Heukahn lag still auf dem Strom,
und geborgen schlief Stadt und Ordensdom.
Es war ein Land, - wir liebten dies Land, -
Aber Grauen sank drüber wie Dünensand.
Verweht wie im Bruch des Elches Spur
Ist die Fährte von Mensch und Kreatur.
Sie erstarrten im Schnee, sie verglühten im Brand,
sie verdarben elend in Feindeshand,
sie liegen auf der Ostsee Grund,
Flut wäscht ihr Gebein in Bucht und Sund . . .
O kalt weht der Wind über leeres Land,
o leichter weht Asche als Staub und Sand,
und die Nessel wächst hoch an zerborstener
Wand, aber höher die Distel am Ackerrand.“
Agnes Miegel
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Ein paar kurze Bemerkungen zu den großen
unvergessenen Pommern
Laßt mich etwas über das Land
erzählen, das uns seit dem Ende des Krieges in seinem größten Teil
verloren ging, das man uns bis hinter die Oder ebenso wie
Ostpreußen, Danzig, Westpreußen, Schlesien und das Sudetenland
gewaltsam entrissen hatte, und das nur noch in seinem vorpommerschen
Rest für uns erhalten ist; über Pommern. Die bedeutenden Pommern sind
ohne die Kraftquellen ihrer Heimat nicht denkbar. Das alte Pommern reichte vom
Darß bis zur Lonske-Düne. An Länge und Weite entsprach das
ungefähr der Entfernung zwischen München und Leipzig oder zwischen
Berlin und Frankfurt a. Main. Beides zusammen, Vor- und
Hinterpommern, gleicht in seiner Gestalt einem zerzausten, fast
zerrissenen Schmetterling. Darß und Hiddensee, Rügen und
Usedom, das ist der bekannte Teil Vorpommerns mit Greifswald und
Stralsund, Barth und Wolgast, Demmin und Tribsees. Dann kommt Mittelpommern. Es
beginnt mit Stettin und der Oder, der „Bäuerin“ unter Deutschlands
Strömen. Doch wir sollten stets daran
denken, daß „Bäuerin“ immer noch ein Ehrenname ist und wollen
hoffen, daß er es bleibt. Stettin, die einstige Perle
des Nordens, links der Oder liegend und damit nach dem Willen der
Sieger gemäß Teheran und Jalta weiter deutsch, wurde 1945 „über
Nacht“ von den Polen infiltriert und annektiert und dann im
Potsdamer Abkommen mit Hilfe der Russen und unter Duldung der USA
und Englands nachträglich mitsamt einem beträchtlichen Streifen
links der Oder zu den von Polen zu verwaltenden Gebieten geschoben.
Die vielfachen, von polnischer
und anderer Seite dafür vorgebrachten Begründungen halten alle vor
der Geschichte nicht stand. Zumal es stimmt, daß wer zu viele
Begründungen für ein Unrecht sucht, in Wahrheit nichts Gerechtes
findet. Denn die schlimmste Art der Ungerechtigkeit ist die
vorgespielte Gerechtigkeit. Und so bleibt wahr, daß die Welt wohl
genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht genug für jedermanns
Gier hat. Mit diesem Stettin verbindet
sich untrennbar die Geschichte Ostdeutschlands. Zugleich war es
Berlins Tor zur See. Für viele Menschen in
Deutschland ist dieses Pommern immer nur die Korn- und
Kartoffelkammer des einstigen Deutschlands gewesen. Nur? – Auf noch nicht einmal 29 % aller
Ackerflächen Deutschlands wurde der halbe Ertrag der gesamten
ostdeutschen Landwirtschaft erzeugt: 47 % Getreide, 54 %
Kartoffeln, 50 % Fleisch, über 70 % an reinen Fetten. Außerdem kam seit Friedrich dem
Großen von dort das Bienenwachs für die Kerzen der großen Kirchen
Deutschlands bis an den Rhein, vergleichbar dem Wert des
Holzeinschlags aus dieser waldreichen deutschen Provinz. Das war allerdings nur durch den
sprichwörtlichen Fleiß möglich, zu dem man im Land sagte: „Des Not heww’k mi sülwst
andahn, säd de Oß, dor möt hei sin eigen Meß up’t Feld trecken.“ Es war und ist noch immer ein
eigenes Volk, diese Pommern, von denen einmal ihr Großer König sagte: “ Die Pommern haben einen
geraden und schlichten Sinn.“ In neuerer Zeit nannte man sie
dann „ein trotziges, stolzes
Geschlecht.“ Das hatte gewiß gute Gründe,
mußten sie sich doch immer wieder ihrer Haut erwehren und waren den
ständigen Ränken und Angriffen ihrer Nachbarn ebenso ausgesetzt, wie
sie unter den wechselnden Herren gebeutelt wurden. Für ihren Trotz legt eine
Geschichte Zeugnis ab, die sich um den Pommernherzog Bogeslaw
abgespielt haben soll. Als der nämlich zum Sterben kam, ermahnte der
Pastor den trinkfreudigen Landesfürsten, daß es „da oben bei den
himmlischen Heerscharen“ nichts „tau suupen“ geben würde. Darauf meinte der fast schon
tote Herzog, sich noch einmal mit letzter Kraft aufrichtend und ein
letztes Mal lachend: “ Ach, min leiw Pastur,
denn kennen Sei Bufslaffen nich.“ |
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Ein echter Pommer darf, wie
Ernst Moritz Arndt(1769-1860) aus Schoritz/Rügen meinte:“ - an Gott und Vaterland nicht verzweifeln.“ Der erste deutsche
Generalpostmeister Heinrich v. Stephan hatte eine zutiefst
pommersche Lebensregel:„Denke, was du willst,
tue, was du sollst, hüte, was du fühlst,
schweige, wenn du grollst.“ Und nun seien mir ein paar
Bemerkungen zu den pommerschen Größen erlaubt, die weit über die
Grenzen ihrer Heimat hinaus wirkten: Was liegt näher, als bei den
Malern anzufangen. Neben dem bemerkenswerten
Expressionisten Hubertus Lehner aus Deutsch Krone, neben dem
Arzt und Dichter Schleich sind uns vor allem Philipp Otto
Runge und Caspar David Friedrich in bleibender
Erinnerung. Friedrich,
1774 in Greifswald, der altehrwürdigen Universitätsstadt geboren,
hat mit seiner Landschaftsmalerei besonders die vorpommersche
Landschaft dargestellt. Die Freundschaft mit Philipp Otto Runge
förderte die Sicht vom Werden und Vergehen in der Natur. Runge,
1777 in Wolgast geboren, entwickelte sich unter dem Einfluß von
Tieck und Schlegel. Einige seiner Gemälde hängen, ebenso wie Werke
von C.D. Friedrich, im Pommern-Museum in Greifswald. Seine noch
heute in Mecklenburg und Pommern bekannten Märchen vom
„Machandelboom“ und dem „Fischer un sine Fruu“
leben in dieser zum Teil düsteren Romantik, als deren Begründer er
gilt. Louis Douzette,
der Mondscheinmaler aus Tribsees, in Barth lebend, darf nicht
unerwähnt bleiben. Daß wir mit Manfred Schatz,
1925 in Stepenitz bei Stettin geboren, einen weit über
Deutschlands Grenzen hinaus bekannten, international stark
beachteten großen Pommern in unseren Reihen hatten, von dessen Werk
die Fachwelt inzwischen als von einer Schatz-Schule spricht, sollte
uns Pommern und alle Vertriebenen, aber auch alle Deutschen, die
sich ein Herz für wahre, die Herzen und Seelen läuternde Kunst
erhalten haben, glücklich und stolz machen. Aber ist sich jeder, der
Verantwortung für die verbliebenen Pommern, ja für die Vertriebenen
trägt, auch dieser Tatsache bewußt? Da zweifle und verzweifle ich
angesichts mancher aus unseren Reihen dran. Wo bleiben unsere schuldige
Ehrfurcht und unserer Respekt vor einem der Großen aus dem alten
Osten Deutschlands? Spricht man von pommerschen
Malern, dann denkt man auch an die anderen Großen aus Kunst und
Kultur, die diesem wunderbaren, einst von Fleiß und Schöpferkraft
überströmenden weiten Land entstammen. Gilly
(1772-1800) – der Lehrer des großen Schinkel, der in Altdamm bei
Stettin geboren, zum Baudirektor für ganz Pommern ernannt, den
berühmten Entwurf des Tempel-Denkmals für Friedrich d. Großen 1797
vorlegte. Leider gibt es nur noch wenige Spuren seines Schaffens, da
der Krieg das Meiste hinwegraffte. Martha Gählert
(1876-1939), die uns das oft von anderen beanspruchte
und plagiierte Lied „Wo die Ostseewellen - -„ schenkte.
Neben den Dichtern Uwe
Johnson, Wolfgang Koeppen – bekannt durch seinen
Roman „Tod in Rom“, muß Konewka Erwähnung finden, der
durch seine Scherenschnitte zu Goethes Werken bekannt wurde. Außer Ramler aus Kolberg,
(1725 – 1798), der als der „Meister des deutschen Stils“
einen Namen bekam, darf man die tragische Gestalt der Alwine
Wuthenow aus Greifswald nicht vergessen. Sie gehörte, geschätzt
von Möricke und Fritz Reuter, zu den Köpfen der niederdeutschen
Literatur. Zu den großen Schriftstellern
aus unserer unvergessenen Heimat zählt Alfred Döblin aus
Stettin, aber ebenso gehört dazu der Greifswalder Hans Fallada
(1893-1947), mit bürgerlichem Namen Rudolf Ditzen, der als
größter deutscher Erzähler des vergangenen Jahrhunderts gilt. Ehm Welk
soll nicht vergessen werden, der mit seinen Geschichten aus dem
vorpommerschen Oderbruch, den „Heiden und Gerechten von
Kummerow“, aber wohl vor allem mit der „Lebensuhr des
Gottlieb Grambauer“ und „Mein Land, das ferne leuchtet“
in einer Weise diese pommersche Landschaft und ihre Menschen
beschrieben hat, wie es nur Wenigen geglückt ist. Doch auch an Ewald Christian
Kleist soll erinnert werden, der 1715 bei Köslin geboren, in der
unglücklichen Schlacht bei Kunersdorf 1748 schwer verwundet, 12 Tage
später in Frankfurt / Oder starb, jener Stadt, aus der Heinrich
v. Kleist stammt. Ewald Kleist überlebt in seinen Pommern, den
Vertriebenen aus dem Land jenseits der Oder mit seinem Vers:
„Ihr, die die schwere Hand des Unglücks drückt, ihr Redlichen, die ihr mit Harm erfüllt, das
Leben oft verwünscht, verzaget nicht – und wagt die Reise durch das
Leben nur! Jenseits des Ufers gibt’s
ein besser Land.“
v. Kugler,
am 19.1.1808 in Stettin geboren, soll nicht unerwähnt
bleiben, der seinen Deutschen jene Biografie des Großen Friedrich
schrieb, zu der Adolph Menzel die unverwechselbaren Zeichnungen
schuf, und der 1840 zugleich der Verfasser der „Pommerschen
Kunstgeschichte“ war. Johan Micraelius,
in Köslin 1597 geboren, , der, durchaus dem Grimmelshausen
vergleichbar, der pommersche Dichter des dreißigjährigen Krieges
war, jenes Krieges, der wohl in Pommern am schrecklichsten gewütet
hat:“ Pommernland ist abgebrannt, Maikäfer flieg
- - -,“ jenes dreißigjährigen Mordens im Namen der
Christenheit, das eine von Krieg und Pest menschenleere Öde in
unserer Heimat hinterließ und Deutschland um 200 Jahre zurückwarf,
zerteilt von der Gier der anderen Mächte. Schleich (1859-1922),
der als bedeutender Arzt, Dichter und Philosoph
unter anderem die lokale Betäubung entdeckte - und Schleiermacher
müssen genannt werden. An August Ernst Braun
(1783-1859) soll erinnert werden, der als Referendar in Köslin
1807 entlassen wurde, weil er den Treueid auf Napoleon verweigerte
und ab 1816 verdienter Bürgermeister in Köslin war. Hermann Haken (1828-1916)
muß genannt werden, der Oberbürgermeister von Stettin, dem die Stadt
nicht nur die Haken-Terrassen verdankt; dessen Name in jüngster Zeit
in Stettin zum polnischen Zankapfel und Vorwurf angeblicher
drohender Germanisierung wurde. Zu den bedeutendsten zählt in
mehrfacher Hinsicht der Vorpommer Ernst Moritz Arndt (1769-1860),
als Dichter, Historiker und Politiker ein unerschrockener Streiter
für Deutschlands Freiheit und Einheit. „Das ganze Deutschland
soll es sein - - -, “ sang er und hatte 1810 seine berühmte
„Hoffnungsrede“ geschrieben. Musiker und Komponisten waren
in diesem „zerzausten Schmetterling“ zuhause. Adam Krieger,
1634 in Driesen geboren, schrieb eines der schönsten deutschen
Kirchenlieder:“ Nun sich der Tag geendet hat - - -, “
und war einer der profiliertesten Liederkomponisten des deutschen
Barock. Carl Loewe
(1796-1869) saß an der Orgel der Jakobikirche in
Stettin, wo neben der Orgelempore sein Herz begraben liegt. Seine
Balladenvertonungen dürften vielen, besonders älteren Deutschen noch
in guter Erinnerung sein. Der Stettiner Adolf Pompe,
der dort die Orgel schlug, dichtete das „Lied der Pommern“, das
heute mehr denn je von allen jenen Pommern gesungen wird, die sich
die Heimat im Herzen bewahrt haben.
„Heut bin ich im Wandern,
bin bald hier, bald dort. Doch aus allem andern,
treibt’s mich wieder fort. Bis in dir ich finde,
wieder meine Ruh‘, send ich dir, o Heimat,
meine Lieder zu.“
Bildhauer wie Bernt Notke
(um 1440-1509) aus Lassan, von dem der „Totentanz“ in Lübeck stammt. Eosander,
in Stralsund getauft, war der Nachfolger Schlüters. Sie alle haben
uns unvergängliche Werke hinterlassen. Nun müssen auch die Mimen
Erwähnung finden, die aus dieser unvergleichlichen, die Menschen
prägenden Landschaft stammen. An ihrer Spitze der
unvergeßliche Heinrich George,1893 aus Stettin, den die
Russen 1946 im KZ Sachsenhausen umgebracht haben, dann Paul
Dahlke, Henry Wahl, Ellen Schwiers, Jürgen
Wussow aus Cammin und Klaus Biederstedt.
Namhafte Ärzte kamen aus unserer
Heimat.
Virchow
(1821-1902)
aus Schivelbein, der großen Einfluß auf die
Hygienegesetzgebung nahm; mit ihm begann die wissenschaftliche
Betrachtung der Krankheit.
v. Tobold
aus Flatow, der durch seine Arbeiten zu Kehlkopfproblemen bekannt
wurde.
Billroth
(1829-1894),
ohne den ein vollständiger Operationssaal nicht denkbar wäre. Die
Liste läßt sich lange fortsetzen.
Cothenius
(1708-1789)
aus Anklam war der Leibarzt Friedrich des Großen, Mursinna
(1744-1823) aus Stolp operierte als Erster den Grauen Star.
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Es kommen die großen Erfinder in unsere
Erinnerung. Hans Grade (1879-1946),
der Flugpionier aus Köslin; Otto Lilienthal (1848-1896)
aus Anklam, der als Erster Gleitflüge versuchte; Jürgen v. Kleist
(1700-1748), der 1745 in Cammin die elektrische
Verstärkerflasche baute; Paul Nipkow (1860-1940),
er erfand 1884 als Student die Fernsehscheibe, ohne die heute
Fernsehen undenkbar wäre. Damals gab es in seiner Heimatstadt
Lauenburg noch kein elektrisches Licht. Hans Bredow aus
Schlawe gilt als Vater des deutschen Rundfunks; Schröder–Stranz, nahe
Deutsch Krone zu Hause, der eine der ersten Nordpolfahrten
ausrüstete und durchführte, aber dabei verschollen ist; sie zeugen
vom Unternehmergeist pommerscher Menschen. Militärs wie Roon
(1803-1879),Wrangel (1784-1877)
als „Papa Wrangel“ im Volk verehrt, dessen Denkmal in Stettin, sein
Grabmal, von den Polen beseitigt wurde, nicht zuletzt Stumpff aus Kolberg,
aber auch der einfache Bürger Nettelbeck
(1738-1824), der Verteidiger Kolbergs, wuchsen über sich
hinaus. Marschall Blücher, der unverwüstliche und
unermüdliche Kämpfer und endliche Bezwinger Napoleons und
Bismarck, der große deutsche Kanzler und Former der deutschen Einheit haben hier gelebt.
An Bucher muß erinnert werden, der, 1817 in
Neustettin geboren, zum stillen, aber unverzichtbaren Begleiter und
Denker an Bismarcks Seite wuchs. Sie haben die Geschichte dieser deutschen Provinz
ebenso geschrieben wie Goerdeler aus Schneidemühl, der zum
Widerstand gegen Hitler gehörte.
Man ist nicht nur durch den Impfschein Ostpreuße,
Pommer, Schlesier – oder woher immer man kommt, man ist es vor allem
mit der Seele, dem Herzen und aus innerster Überzeugung. Man wird es
durch sein Handeln für dieses Land und dessen Andenken. Heimat ist eben nicht allein eine Frage des
Geburtsortes, sondern ist ein Mysterium, das Jeder für sich
entschleiern muß, bei dem aber ohne Frage jene Jahre zwischen vier
und zwölf, in denen nach Ehm Welk der Mensch wird, nicht ohne
Bedeutung sind. Und Heimat ist einmalig. Es gibt wohl daneben für diejenigen, die ihre
Heimat verloren haben, denen man sie genommen hat, noch ein späteres
Zuhause, vielleicht sogar einen Ort oder eine Landschaft, in der man
glücklich wurde, wo man sogar besser lebte, aber alles das kann
eigentlich Heimat nicht ersetzen. Auf keinen Fall kann man Heimat mit Besitz
gleichsetzen. Das beweisen die Vielen aus den ostdeutschen Dörfern,
die wenig oder nichts besaßen und doch an ihrer Heimat mehr hängen,
daran inniger denken und fester haften, als mancher, der Grund und
Boden besaß, ein Haus sein Eigen nannte und heute von dieser alten
Heimat nichts mehr wissen will, sitzt er doch nun auf neuem Besitz,
auf neu erworbenem Grund und Boden.
Nein: „Der Rauch der
Heimat ist schöner als der Sonnenschein der Fremde“.
So will ich am Schluß dieser unvollständigen, viel
zu kurzen Betrachtung unserer Pommern-Größen an jene Männer
erinnern, die nicht nur nach meiner Meinung zu den größten Söhnen
des so vielfach geschundenen und gedemütigten, dennoch immer wieder
auferstandenen Landes zählen: Johannes Bugenhagen,
1485 in Wollin geboren, Martin Luthers Hand und Geist in Pommern;
der Pommern, Dänemark, Schleswig-Holstein und Hamburg reformierte
und die Bibel ins Plattdeutsche übertrug; Der Chronist Kantzow(1505-1542)mit seiner „Pommerania“;
Heinrich v. Stephan,
am 7.1.1831 in Stolp geboren, begann seine Laufbahn als
Postschreiber, erfand die „Korrespondenzkarte“(die spätere
Postkarte), gründete den Weltpostverein und wurde der
Generalpostmeister. Und – man wird es mir als ehemaligem
„Löns-Schüler“ aus Deutsch Krone wohl nachsehen, der unvergessene,
in der DDR totgeschwiegene und heute im Westen gern verleumdete,
aber immer noch bewunderte und vielgelesene Hermann Löns,
1866 in Kulm / Westpreußen geboren, aber in Deutsch Krone
aufgewachsen: „Für einen Abend am Radaunen-See gäb ich den
Rhein mit seinen goldenen Wogen.“ Hier schließt sich der Kreis. Was mich besonders schmerzt, ist, daß ich so
wenige Frauen nennen konnte. Es waren doch gerade diese starken, über sich
hinaus wachsenden Frauen in unserem Land, zumeist bescheiden und
unauffällig. Sie trugen die schwere Last der Generationen und halfen
dieses Land mit ihrem Fleiß und ihrer Tatkraft immer wieder
aufbauen. So möchte ich wenigstens Eine noch abschließend nennen,
die ich viel zu spät kennenlernen durfte. Sie ist leider vor wenigen
Jahren verstorben. Für mich und alle, die sie kannten, war sie das
typische, ursprüngliche pommersche Frauenbildnis –, Gisela Lehner, aus
dem Kreis Deutsch Krone stammend. In ihren Gemälden und Zeichnungen,
in den Grafiken und anderen künstlerischen Arbeiten war sie ebenso
wie in ihrem Wirken für die Familie beispielhaft. In dieser Frau und ihrem Andenken lebt die Seele
der pommerschen Frauen, die gerade während Flucht und Vertreibung
die größte Belastung und das tiefste Leid dieses vielgeprüften
Landes zu tragen hatten. Unseren Großmüttern, Müttern und
Schwestern, die den vielfachen Fluch von Flucht und Vertreibung
zumeist klaglos trugen, gehört, solange wir atmen, unsere erinnernde
Dankbarkeit. Mit Sicherheit habe ich etliche große Pommern
vergessen. Man möge es einem begeisterten, unverbesserlich an der
Heimat hängenden und von ihr Zehrenden bitte verzeihen.
Wie sagt meine imkernde Frau
:“ Hei is klauk as sine Immen, blot Honnig kann hei nich schieten.“
Und ich denke dann so als Tierarzt für mich an
das, was man in meinem kleinen grenzmärkischen Heimatdorf sagte:“
Kopparbeet is dat schworst, dat seih ick
an mine Ossen.“ Wie sangen die preußischen Grenadiere, unter ihnen
viele brave Ostpreußen, Pommern und Schlesier 1757 vor der Schlacht
von Leuthen
„Gib‘, daß ich tu‘ mit
Fleiß, was mir zu tun gebühret, Wozu mich Dein Befehl in
meinem Stande führet. Gib‘, daß ich’s tue bald,
zu der Zeit, da ich soll, Und wenn ich’s tu‘, so
gib‘, daß es gerate wohl.“
Unsere Heimat lebt in unserer Erinnerung. Aber der
Spruch, den ich für den Demminer Stein mitgab, wird uns helfen
können, unser liebendes und trauerndes Andenken überall zu bewahren:
„DIE RECHTE HEIMAT IST UNVERLIERBAR. SIE GEHT
IMMER MIT.“
Als ich nach langen Jahren zum ersten Mal wieder
im Heimatdorf war und unter der alten Eiche rastete, da kamen mir
diese Verse in den Sinn:
Die alte Eiche
(ein heimatlich- westpreußisches und pommersches
Sinnbild)
Denk ich an die Kindertage,
steht ein Baum vor meinen Augen
und er weckt die stumme Frage,
wozu uns’re Träume taugen.
Einsam steht die alte Eiche
Über Armut, Angst und Not,
reckt wie mahnend hoch die Zweige
in ein düst’res Abendrot.
Siebenhundert lange Winter
hielt sie allen Stürmen stand,
dann zerbrach ihr Nähr- und Wehrbau
in dem großen Weltenbrand.
Doch der Baum ist nicht gestorben.
Wie ein Bitten um den Segen
Strecken neue junge Äste
Sich dem Morgenrot entgegen.
Noch ist Hoffnung, unzerstörbar.
Aus der Heimat, neugeboren
Kommt ihr Ruf - unüberhörbar:
Nur wer aufgibt, ist verloren!
Wolfgang Köpp (1991)
Zahlreiche Gedenksteine an Flucht und Vertreibung
stehen inzwischen auch in Mecklenburg und
Vorpommern. Einige davon werden
hier gezeigt
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Waren |
Demmin |
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Penzlin |
Alt-Rehse |
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Friedland |
Neubrandenburg |
Doch noch immer tun sich etliche
Städte und Gemeinden schwer damit, daran zu erinnern, daß nach
Flucht und Vertreibung der Ostdeutschen mitunter über 40 % der
Einwohner Vertriebene waren. |
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Meine lieben Landsleute,
liebe Heimatfreunde, oder wer immer das Folgende liest
Woher ihr auch kommt – und ganz
gleich, was ihr Heimat nennt, ich grüße Euch herzlich – und
bitte Euch für ein paar Minuten um Gehör. Wenn die Großmütter sterben, so
heißt es, endet die Kindheit. Unsere Kindheit endete durch
Flucht und Vertreibung zumeist schon früher, war uns doch durch die
Tragik und Härte dieser unmenschlichen Ereignisse frühzeitig der
unbeschwerte Ausklang unserer Kindheit genommen worden. Unsere Großmütter sind schon
lange nicht mehr. Sie waren, Generation um
Generation, die Bewahrerinnen unserer Tradition, unserer alten
ländlichen Kultur, die Märchen- und Sagenfrauen unserer Kindheit,
die Hüterinnen unseres Glaubens. Wir, die Generation der Enkel,
sind an ihre Stelle getreten mit der Pflicht, diesen Schatz, unsere
Kindheit und erinnerungsschwere Jugend bei unseren Kindern und
Enkeln nicht enden zu lassen. Bei uns liegt die Verantwortung,
daß Heimat bleibt, was sie unseren Vorfahren war – unvergessen.
Bei den Politikern werden wir
keine Antwort auf unsere Fragen finden. Sie fühlen sich dem
Zeitgeist verpflichtet und reden zu uns von Rücksichten. Wer aber nahm Rücksicht auf uns?
Wer von denen, die heute über
unser Schicksal befinden, ist sich denn klar darüber, daß es zuerst
die Vertriebenen waren, die Deutschland aus dem Nichts wieder
aufgebaut, es zu dem gemacht haben, was in Europa so anziehend
dasteht, daß es nicht zuletzt Jene lockt, die heute in unserer
Heimat sitzen und zumeist wenig damit anzufangen wissen – allenfalls
die einstigen Äcker und Weiden zu Ödland und später zu Wald
verwuchern lassen. Es genügt eben nicht, alles nur
haben zu wollen, man muß auch damit etwas Vernünftiges anfangen. Wir wollen hier und heute nicht
über Politik sprechen, denn davon hören wir vor den Wahlen mehr als
genug; und ob sich unsere Wünsche erfüllen – und ob alle
Versprechungen gehalten werden, ob und wie man zu uns, den
Flüchtlingen und Vertriebenen stehen wird, muß sich zeigen. Daß wir es aber nicht mit
anhören können, wenn man fordert, Polen müßte bis an den Rhein
gehen, bis an Hollands Grenze reichen, das zumindest müssen wir
sagen dürfen. Oft hören wir die Frage, was das
ist – Heimat? In ihrer Abwesenheit wird sie
mit Hoffnung, Sehnsucht, Traum, Unerfülltheit und Unerfüllbarkeit
verbunden. Das Wort Heimat trägt in sich auch die Melancholie, die
entstanden ist aus den Erfahrungen von Verlust, Suche und
Heimatlosigkeit. Für viele, die ihre Heimat
verloren haben, ist das Heimatgefühl mit Heimweh verbunden. Doch in Wahrheit ist Heimat
ungleich mehr. Erst wer sie – wie wir –
verloren hat, wem sie genommen wurde, der ist sich ihres Wertes
wirklich bewußt, sofern er, nachsinnend, darauf noch Wert legt. Heimat fängt an in Elternhaus
und Schule, sie braucht aber Bindung. Wer draußen in der Fremde Heimat
vermissen soll, der muß sich zuvor Zuhause wohlgefühlt haben und –
bei allem neuen Wohlstand – eine unstillbare Sehnsucht spüren. Wer Heimat bewußt machen hilft,
sei es durch Sprache, Bild oder Tat, der schafft Voraussetzungen für
Bodenständigkeit oder Rückkehrwilligkeit, zumindest für dankbare
Erinnerung. Wir müssen uns endlich davon
frei machen, daß Heimat und Patriotismus von gestern sind. Andere Völker machen es uns
schon lange vor. Im Zeitalter der seelenlosen
Globalisierung zugunsten eines immer menschenfremderen Marktes und
menschenferner Großkonzerne wird Heimatliebe und Patriotismus lebens–
ja überlebensnotwendig; für den Einzelnen ebenso wie für
ein ganzes Volk.
Die schwermütige unendliche
Weite der Felder, Wälder und Heiden, die kleinen und großen, teils
düsteren Seen zwischen Waldeinsamkeiten und blühenden Feldern,
dazwischen diese Dörfer und Städte ohne prunkenden Reichtum, aber
geprägt vom unablässigen Fleiß und nie erlahmenden Aufbauwillen
ihrer Bewohner, das weite Küstenland, gezeichnet von Dünen und Sand
und den Netzen der Fischer, die Bergwelt Schlesiens und der Sudeten,
das ist unsere Heimat im Osten. Die Wälder, die uns heute -
vielleicht auch aus der Erinnerung überstandener Schrecken - so
bedrohlich, teilweise fremd und dunkel erscheinen, waren in unserer
Kindheit und Jugend allenfalls geheimnisvoll; und je mehr wir sie
als Kinder bei Spiel und Arbeit eroberten, um so mehr wurden sie uns
zu vertrauten Freunden, deren Geheimnisse wir nicht entschleiern
wollten, kamen doch daraus vielfach die Sagen und Spukgeschichten
der langen Winterabende auf den Spinnstuben und beim
gemeinschaftlichen Federlesen, die Gedichte und Berichte.
Groß dehnten sich die Felder im
hügelab-hügelauf der eiszeitlich geformten, reizvollen Landschaft.
Immer wieder unterbrochen von
Hecken, Buschgruppen, kleinen oder größeren Wäldern, Seen,
Wasserlöchern oder Bachläufen - bildeten diese Feldeinsamkeiten
lebendige, fruchtbare Gegensätze zu den stillen weiten Heideflächen. Diese Heiden, von einzelnen
hohen Fuhren gekrönt, mit zahlreichen, teils verwachsenen, teils
aufrechten Machangeln, den dunkelgrün mahnenden Wacholdern
durchsetzt, waren in ihrer kargen Schönheit ein ganz besonderer
Schmuck dieses Landes. Ob im Hochsommer beim
Pilzesuchen oder Blaubeerenpflücken plötzlich die überall reichlich
vorhandenen Kreuzottern zischend schreckten, ob im herbstlichen
Nebel mit seinem leise raschelnden Blätterfall wir Jüngeren auf dem
oft weiten Wege zu Konfirmanden-Unterricht oder
Kommunionsvorbereitung uns leiser und wohl auch etwas scheuer
bewegten, ob die tiefe Schnee-Einsamkeit ostdeutscher Winter beim
Holzsammeln uns erschrecken ließ, wenn die Bäume im strengen Frost
krachend rissen und Fährten im Schnee dennoch vom heimlichen Leben
in Heide und Wald kündeten, immer zeichnete so die Heimat
unverwischbar ihre Spuren in die jungen und älteren Herzen. Ehrfurchtsvoll standen wir vor
den Baumriesen der Parks und Wälder, den gedrungenen knorrigen
Eichen, den weitausladenden Buchen und den himmelhohen Fuhren oder
wuchtig drohenden, starken vielverzweigten Krüppelkiefern. Es war aber auch eine Zeit, da
der Großvater, ein Landmann mit Leib und Seele in Gottesfurcht, am
Sonntag des Nachmittags durch die Felder ging - und wenn er nach
Hause kam, vertrauend und gläubig die alte, von vielen treu lesenden
Händen gezeichnete Bibel aufschlug, wo geschrieben stand: „ Solange die Erde
stehet, soll nicht aufhören Same und Ernte, Frost und Hitze, Sommer
und Winter, Tag und Nacht.“ Der Glaube war’s vor allem, der
die schweren Zeiten bestehen ließ. In diesem Glauben waren die
Dörfer mit ihren weithin leuchtenden bunten Dächervielfalten
entstanden, trotzig und ehrfurchtgebietend überragt von den Türmen
der Kirchen, die wie Wächter und Mahner zugleich zum ostdeutschen
Himmel wiesen. Dieser Glaube beseelte die
Dörfer, die kleineren und größeren Städte im emsigen Fleiß ihrer
Bewohner. Und so brachte dieses Land
große Männer ebenso hervor wie tapfere, unbeugsame Frauen; Künstler und Wissenschaftler,
Dichter und Staatsmänner kamen aus dem zerzausten Schmetterling
Pommern, auch aus unserem Kreis Deutsch Krone, sie kamen ebenso aus
Ostpreußen, der Wiege Preußens, aus Danzig, das sich in allen Wirren
dem gierigen Ansturm nicht beugte, aus Westpreußen, dem ewigen
Zankapfel polnischer Begierden, aus Schlesien, wo noch heute
Deutsche unbeirrbar und fest in ihrem Deutschsein leben und aus dem
Sudetenland, dessen Bewohner den Panslawismus in erschreckender
Weise selbst von ihren Nachbarn spüren mußten und noch heute mit der
Benes-Doktrin beschimpft werden. Es war – und ist heute erst
recht nicht - das Land, aus dem die Träume sind. Es ist zum träumen unendlich
fern und scheint für die Hoffnung verloren. Doch so war es, solange man
seine Geschichte zurückverfolgen kann; eine Geschichte der
Wanderungen und Wandlungen, der Mächtigen wie der
Ohnmacht, der Willkür wie der
Standhaftigkeit, des zähen Beharrens in Arbeit
und Pflichterfüllung, Treue und Glauben. Solange wir zurückdenken
können, seit jeher, kommen Verheißung und Fluch, Hoffnung und Tod in
ständigem Wechsel wie die unendlichen Staffeln der Wolken aus dem
Osten und bestimmen unser Leben. Darin liegt unser Schicksal. Eingezwungen in den ewigen
historischen Wandel der Gewalten, aber nicht darin zerrieben,
sondern eher gehärtet, so hat sich dieses Land mit seinen Menschen
gebildet. Eiszeiten kamen und gingen,
Sippen und Horden, Scharen und Stämme zogen und flohen, siedelten
oder wurden mit den Jahrtausenden vertrieben. Germanen und Slawen, Deutsche
und Wenden mischten sich über lange Zeiträume. So entstanden die Pommern und
Westpreußen, die Danziger und Schlesier, die Sudeten. Und aus den
vom Expansionsdrang polnischer Fürsten übrig gebliebenen Pruzzen,
aus den Siedlern der Kreuzritter und den Einwanderern aus dem
Salzburgischen und Halberstädtschen wurden die Ostpreußen. Dieses Land im Osten wird in
seiner besonderen Art nicht vergehen, solange unsere Welt Bestand
hat. Seine Wälder und Seen, die
Heiden und Felder, Gebirge, Hügel und Ebenen formten die Menschen,
so daß dauerhaft nur der Bestand haben wird, der in treuer Bindung
an diese Landschaft, im Willen, mit deren karger Schönheit zu leben
und sie dennoch zu lieben, hier wird wurzeln wollen und können. Hier kann man nicht nur hausen,
hier muß man liebend leben in Frost und Schnee, Hitze und Dürre,
Liebe, Haß und Trauer.
Und darum heißt es:
„ Der Rauch der Heimat ist schöner, als der Sonnenschein der
Fremde.“
Wer diesen Boden nur besitzen
will, ohne ihn auch fruchtbringend zu nutzen, ohne ihn zu bewahren,
der wird hier nicht von Dauer sein.
Wer nur in seinem
jahrhundertealten Drang nach noch mehr, noch größer, vor allem seine
Gier befriedigen will, wird dieses weite Land und seine daraus
erwachsende Verpflichtung nicht begreifen. Wer diese Landschaft nicht mit
dem Herzen versteht, der wird nicht darin bestehen können. Und wer dieses Land sich nur
aneignen will, ohne ihm zu dienen, wem die Seele sich nicht weitet
bei seinem Anblick, und die Augen nicht leuchten in unnennbarer
Freude, der wird es auf Dauer kaum halten können.
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Das Recht auf Heimat ist ein unveräußerliches
Menschenrecht. Nicht nur für uns – aber eben auch für uns! Das sind unsere Gewißheit und die bleibende Hoffnung
über die Generationen hinweg. Und es lebt unsere Hoffnung auf Gerechtigkeit,
denn nur sie bringt uns den Frieden, nach dem wir alle uns zutiefst
sehnen. Solange wir leben und solange wir in unseren
Kindern und Enkeln mit dem Glauben auch diese Hoffnung erhalten,
solange wird unsere Heimat wahrhaft unverlierbar sein. Und erst wenn der letzte Gedanke vergangen, erst wenn der letzte sehnsuchtsvolle Ruf
verstummt, erst wenn der Glaube und die Hoffnung dahin sind,
wenn niemand sich mehr der einsamen verlassenen
Gräber erinnert, dann ist Heimat wirklich verloren. Dann wird niemand mehr sein von jenen Volksteilen,
die einst den Osten unter großen Mühen urbar und fruchtbar machten
und Gottes Häuser in die Siedlungen stellten. Kein Erinnern wird mehr sein an die Ost- und
Westpreußen, die Danziger, Hinterpommern, Sudeten und Schlesier und
wer sie noch alle waren, die man nach Jahrhunderten
aufopferungsvollen Fleißes, des treuen, gläubigen Bestehens aus
ihrer Heimat vertrieb. Bedeutende Anteile unserer deutschen Nation werden
dann immer mehr in Vergessenheit geraten, bis nur noch wie aus
legendenträchtiger, ferner Zeit ein leiser Klang zu den
Nachgeborenen herüberwehen wird. Aber das Land in seiner schwermütigen Weite wird
bleiben, solange unsere Erde besteht. Aber wir, wir alle hier, werden, so hoffe ich, den
Gedanken an unsere Heimat zu den Kindern und Enkeln weitertragen,
solange noch Leben in uns ist.
„Die Heimat ruft Die Heimat ruft! Ich hör’ das Rauschen der fernen Wälder Tag und
Nacht. Die Heimat ruft! Die Sinne lauschen und meine Sehnsucht ist
erwacht. Von ihren Armen warm umfangen, war ich geborgen
wie ein Kind Und zärtlich über Stirn und Wangen strich mir der
kühle Morgenwind. Sie teilte reichlich Trank und Speise an jedes
ihrer Kinder aus, Und kam die Nacht, umhüllte leise sie meiner
Eltern stilles Haus. Des Glückes blaue Wunderblumen umkränzten meiner
Jugend Pfad
Und aus der Äcker dunklen Krumen sproß leuchtend auf die grüne Saat. –
Wie könnte ich sie je vergessen?
Die Liebe höret nimmer auf.
Wer will die Liebe wiegen, messen,
wer hemmt der Sehnsucht Kraft und Lauf?
Die Heimatliebe ist ein Glauben, den keine Macht
der Welt zerbricht.
Gewalt kann uns die Heimat rauben,
die Heimatliebe zwingt sie nicht.
Ich wüß’t den Heimweg wohl zu finden und ruhte Tag
und Nacht nicht aus.
Nichts sollt’ mich halten, nichts mich binden,
kehr’ ich zurück ins Vaterhaus.“
K. Kriebel
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Und eingedenk der Freunde, die in immer größerer
Zahl von uns gehen, möchte ich Euch ein Gebet des Westpreußischen
Dichters Martin Damß mit auf den Weg geben:
Gebet „So ich, o HERR, denn muß zugrunde gehen.
Zerbrochen, krank, ein Spiel und Spott der Welt,
Laß mich noch einmal meine Heimat sehen,
Eh’ mir der Hammer aus den Händen fällt.
Laß mich das Land, den hohen Himmel schauen,
Der nirgends sonst so hell und heilig ist.
Zeig mir den Strom, die gold’nen Weichselauen,
Wo ich gelebt, gelacht, geweint, geküßt.
Das schmale Haus, darin ich einst geboren,
Und klein und bloß und Kind gewesen bin.
Führ mich im Traum zu den versunk’nen Toren
Und zu den Märchen meiner Jugend hin.
Die Brunnen laß, die blaue Brandung rauschen,
Die grünen Linden und das Mühlenrad.
Laß mich im Korn dem Lied der Lerche lauschen,
Den dunklen Glocken über Dorf und Stadt.
Gib einen Tag, ein Herz nach meinem Herzen,
Und eine Handvoll blanker Sterne dann,
Und zünde nachts an ihrem Licht wie Kerzen
Die alten Türme überm Hafen an.
Vergeß’nen Freunden will ich noch begegnen
Dort auf dem Hügel, wo die Kreuze sind.
Und Faust und Pflug und Netz und Wiege segnen
Und jeden Halm und jedes Gras im Wind.
Und niederknien und aus den Händen schlürfen
Den Tau der Welt. Und danken dem Geschick,
Daß ich hier einmal habe leben dürfen,
Daß ich den Weg nach Hause fand zurück.
Dann sende mir, wie einer morschen Erle
Am See den Blitz. Grab mich im Sande ein.
Laß meine letzte Träne eine Perle
Am Mantelsaum der lieben Heimat
sein.“ Martin Damß
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Die Alte Eiche - ein untergehendes Symbol.
Noch steht die Eiche im Heimatdorf
Hoch über’m See - wie verloren.
Von Stürmen gefurcht, von Kriegsbrand verkohlt,
war sie wie neu geboren.
Doch fremder Haß hat sie nicht verschont,
sie war ja der Deutschen Erbe.
Ran mit der Axt, die Lohe hinein,
damit sie nun endgültig sterbe.
Wer trauert darum, wenn wir dahin?
Wenn die letzten Spuren verweh’n?
Dann wird zur Wahrheit das bittere Wort:
mit uns wird die Heimat vergeh’n.
Kein Lied, kein Märchen aus altem Schatz,
kein Wort von Jahrhunderten Fleiß.
Kein Denkmal führt auf unsere Spur,
Bis niemand mehr von uns weiß.
Wir Deutschen sind auf dem neuen Weg,
Hör’n wir die Politiker mahnen.
Wir gehen jetzt in Europa auf.
Da stören die Bilder der Ahnen!
Wolfgang Köpp
(2008)
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